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WARUM ICH JETZT 5 JAHRE DRUGLAND MACHE...
UND EWIG DAMIT WEITERMACHEN KÖNNTE...

Ich wollte schon immer Theater machen, auf der Bühne stehen, in andere Rollen schlüpfen. In meiner Vorstellung war das wunderbar – und hier kamen meine Vorstellung und die Realität ausnahmsweise mal überein. Der Applaus am Ende einer langen Arbeitsphase fühlt sich toll an, wo doch mein Leben sonst nicht zum Beklatschen ist und ich vielleicht an ein paar Stellen eine falsche Entscheidung getroffen habe.

Welche politischen Gründe bewegen mich? Einmal süchtig – immer süchtig. Ich werde wohl niemals geheilt sein von meiner Sucht, sondern kann nur lernen damit zu leben.

Die Strafverfolgung stempelt mich zu einer Kriminellen. Meine Ärzte sagen mir: Du bist krank, hast ein psychisches Problem.

Innerhalb dieser Schere darf ich mich bewegen. Ich beobachte, wie oft „über Süchtige“, über mich, gesprochen wird, jedoch kaum MIT uns. Über die Probleme bei der ,,Wiederingliederung“ in die Gesellschaft nach einer Therapie oder einem Gefängnisaufenthalt zum Beispiel.

Oder über die Schwierigkeit, überhaupt einen Therapieplatz zu finden und diesen finanziert zu bekommen.

In Deutschland sind dafür die Krankenkassen und Rententräger zuständig – es geht in erster Linie um die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit, und nicht um ihr Wohlbefinden.

Als ,,Alter Süchtiger‘‘ oder Mensch mit wenig Punkten im Rentensystem hat man es schwer, eine Therapie zu beantragen.

Es ist sehr einfach gesagt: Du hast ein Problem? Bist süchtig? Kommst nicht mehr klar mit dir und der Welt? Ja, dann mach doch mal ́ne Therapie. Das kann doch nicht so schwer sein. Reiß dich mal zusammen! Steuere dein Ziel an und gut ist…

Mitnichten. Therapie ist Arbeit – und der Löwenanteil fängt meist erst nach der Therapie an. Wenn man das hochgelobte, selbstbestimmte, abstinente Leben führen soll.

Und wenn das nicht gelingt? Wenn man immer wieder zurückfällt? Menschen, die einen 9-to-5- Job haben, können nicht mal eben sechs Monate in eine Therapie verschwinden, ohne dass der Arbeitgeber weiß was los ist. Und wenn dein Arbeitgeber weiß was mit dir los ist, hast du meistens die längste Zeit deinen Job gehabt. Das sind Realitäten. Wie ich sie kenne. Wie sie jeder von uns kennt und erfahren hat.

Wer gibt einem Ex-Knacki mit einem negativen Führungszeugnis wirklich einen Job? Wo finde ich einen Arbeitgeber, der mir wirklich „eine zweite Chance” gibt?

Ein Entzug und eine Therapie kosten extrem viel Kraft. Gegen das persönliche Scheitern anzukämpfen kostet umso mehr. Ohne diese Kraft kann ich aber kein Ziel in Angriff nehmen. Die Motivation muss aus mir kommen und nicht nur aus dem Wunsch heraus einer Gefängnisstrafe zu entgehen.

Räume der Begegnung schaffen, sich austauschen und in einen Dialog treten. Den Men- schen eine Stimme geben, die durchs Raster fallen und dabei unsichtbar werden. Aufklären, teilhaben lassen, zuhören. Sich auf Augenhöhe begegnen und Zeit miteinander teilen. Sich wertgeschätzt fühlen und Berührungsängste abbauen. Dies alles und mehr macht die Arbeit bei Drugland Theater für mich möglich.

Hanna Glaser